Ist Yoga politisch? Ein Blick auf die Verbindung von Praxis und Gesellschaft
Wenn wir an Yoga denken, sehen viele von uns eine Matte, eine ruhige Atemübung und den Versuch, inneren Frieden zu finden. Doch ist Yoga wirklich nur ein Werkzeug zur Stressbewältigung? Oder steckt mehr dahinter – vielleicht sogar eine politische Dimension?
In dieser Podcast-Folge haben wir gemeinsam mit Julia Wadhawan, Journalistin, Autorin und Yogalehrerin, diskutiert, ob und wie Yoga politisch ist. Dabei ging es nicht um Parteipolitik, sondern um Haltung, Verantwortung und Bewusstsein.
Yoga und Politik – wo ist die Verbindung?
Viele verstehen Politik als etwas, das „da draußen“ passiert – in Parlamenten, Parteien und Regierungssitzen. Yoga dagegen wirkt eher wie eine private, innere Praxis. Doch bei genauerem Hinsehen wird klar: Beides ist eng miteinander verbunden.
Julia bringt es auf den Punkt:
„Unpolitisch sein ist nicht möglich. Jede Handlung – oder Nicht-Handlung – ist politisch.“
Warum? Weil wir als Menschen Teil einer Gesellschaft sind, deren Strukturen und Regeln unser Leben prägen. Politik legt fest, wie wir miteinander leben, wie Ressourcen verteilt werden und welche Rechte wir haben. Und Yoga lehrt uns, genau hinzusehen und bewusst zu handeln.
Warum „unpolitisch“ nicht existiert
Oft hört man Sätze wie „Politik interessiert mich nicht“ oder „Ich bin unpolitisch“. Doch das ist ein Trugschluss. Jede Entscheidung – auch die Entscheidung, nicht zu wählen – hat Auswirkungen.
Nicht wählen gehen verändert das Wahlergebnis, weil Stimmenverhältnisse verschoben werden.
Nicht Stellung beziehen bei diskriminierenden Aussagen im eigenen Umfeld lässt Strukturen bestehen.
Passivität ist ebenfalls ein Statement – nämlich, dass alles so bleiben kann, wie es ist.
Das erinnert an ein Grundprinzip der Physik:
Jede Bewegung erzeugt Bewegung.
Unser Handeln wirkt. Und Yoga kann helfen, diese Wirkung bewusst wahrzunehmen.
Wie kann ich politisch handeln – im Großen und im Kleinen?
Politische Einflussnahme muss nicht bedeuten, dass wir in eine Partei eintreten oder jeden Tag auf Demos gehen. Es gibt viele Wege, wie wir aktiv werden können:
Wahlen: Informiere dich über Parteien und Programme.
Bewusstsein schaffen: Sprich Themen im eigenen Umfeld an – auch wenn es unbequem ist.
Engagement: Unterstütze NGOs, Initiativen oder Petitionen.
Spenden: Wenn Zeit knapp ist, kann auch finanzielle Unterstützung politisch wirken.
Privates Umfeld: Gegen diskriminierende Aussagen aufzustehen, ist mutig – und extrem wirkungsvoll.
Die Schnittmenge: Yoga als Erkenntnisweg
Yoga ist weit mehr als Bewegung. Es ist ein Erkenntnisweg, der mit einer simplen, aber tiefen Frage beginnt:
Wer bin ich – und wie will ich leben?
Diese Reflexion führt automatisch zu politischem Denken:
Welche Werte sind mir wichtig?
Wie möchte ich mich in der Welt verhalten?
Welche Konsequenzen haben meine Handlungen für andere?
Julia beschreibt es wunderschön:
„Yoga hilft uns, unsere eigene Haltung zu erkennen – und diese Haltung prägt, wie wir in der Gesellschaft wirken.“
Gefahr: Wenn Yoga zur Wellness-Blase wird
Es gibt eine Tendenz, Yoga auf eine reine Wohlfühlpraxis zu reduzieren: „Ich mache Yoga, damit ich entspannter bin – und produktiver bei der Arbeit.“ Das kann passieren, wenn wir den Blick ausschließlich nach innen richten und den gesellschaftlichen Kontext ausblenden.
Natürlich ist Selbstfürsorge wichtig. Aber: Yoga hört nicht auf der Matte auf. Es lädt uns ein, unsere Erkenntnisse auch nach außen zu tragen – in Form von Mitgefühl, Respekt und Verantwortung.
Das Bild vom Körper – und der Gesellschaft
Julia nutzt ein starkes Bild:
„Gesellschaft ist wie ein Körper. Jede Bewegung beeinflusst das Ganze.“
Im Yoga wissen wir: Wenn wir den kleinen Zeh anders setzen, verändert sich die gesamte Körperhaltung. Genauso ist es in der Gesellschaft: Jede Entscheidung, jeder kleine Impuls – bewusst oder unbewusst – hat eine Wirkung.
Fazit: Ist Yoga politisch?
Die Antwort lautet: Ja – und nein.
Ja, weil Yoga uns sensibilisiert für unsere Wirkung und Verantwortung. Nein, weil Yoga nicht Parteipolitik ist, sondern ein Weg zu Bewusstsein, Reflexion und Haltung.
Das Entscheidende: Wie lebst du Yoga? Als private Wohlfühlpraxis oder als Weg, der auch die Welt um dich herum berührt?